Gemeinsam musizieren

Unterricht und Leierspielkreis
von Willibald Helbrich, Leierbaumeister und Musiklehrer


Leier spielendes Kind

Die Anfangsgründe

Vielfältig sind die Beweggrün-
de, die in einen Leierspielkreis
führen. Ein Jeder bringt andere
Voraussetzungen mit. Will der Eine
beispielsweise "nur" ein paar
Lieder spielen, so möchte der etwa
die Andere musizieren, wie sie
es schon auf einem herkömmli-
chen Instrument bereits getan
hat. Ein Dritter dann möchte
"herausholen", was in dem In-
strument steckt.
So kommt es, daß ich nicht
nach einem vorgeschriebenem
Programm unterrichte, son-
dern vielmehr darum bemüht
bin, Interessierte dort "abzuho-
len" wo sie von ihren Voraus-
setzungen her gerade stehen.
Behutsam und ohne Dogmatik
versuche ich, den verschie-
denen Erwartungen gerecht zu
werden, denn jede Voreinge-
nommenheit schreckt den Neu-
ling ab. Ich lasse die Leier
selbst sprechen.

Spiel mir ein Lied...

wenn jemand nun mal "seinen
Musikwunsch" gerne spielen
möchte, dann schaffe ich ihm
die Gelegenheit, diesen auch
spielen zu können, indem ich
das Stück für ihn instrumental-
gerecht arrangiere. Die Mühe
hat sich für beide Beteiligten
auch dann gelohnt, wenn sich
heraustellen sollte, daß das
Stück von seinem Charakter
her gar nicht so sehr für die
Leier geeignet ist.
Immerhin hat er so mit seiner
Lieblingsmelodie den Zugang
zur Leier gefunden und ist
nach diesem Einstieg in die
besondere musikalische Welt
des Leierspiels gerne bereit zu
anderen Kompositionen über-
zugehen.

Gemeinsam erklingen

Die Besonderheit der Leier
berücksichtigend, die ja urmu-
sikalische Klangphänomene
zum Ausdruck bringt, geht es
mir ersteinmal darum, die bei je-
dem Menschen unterschiedli-
che Musikalität zu wecken.
Wenn ich einen Schüler
oder Mitspieler höre, so kann
ich sein innerliches Anliegen,
seine Disposition erlauschen.
Das gegenseitige versthen
verbindet und schafft dann die
Grundvoraussetzung für das
gemeinsame Üben. Ist diese
innere musikalische Harmonie
einmal, so ist es
möglich, alle Gegensätze zu
überwinden. Und es ist der
Mühe höchster Lohn, wenn es
gelingt, trotz unterschiedlicher
Voraussetzungen und Charak-
tere, beim Musizieren gemein-
sam zu atmen, gemeinsam zu
empfinden, so daß der ganze
Leierchor wie ein einziges In-
strument erklingt.
Mit dem Übergang zum
9. Lebensjahr, einer Zeit
in der beim Kind allmäh-
lich der Realitätssinn er-
wacht, sollte das Instru-
ment auf die diatonische,
also die bekannte c-Dur
Tonfolge umgestimmt
werden. Damit werden
statt der assoziativ
schwebenden mehr die
formgebenden Elemente
der Musik betont. In die-
der Stimmlage lassen
sich jetzt auch alle be-
kannten Lieder spielen.
Durch zunehmendes
Üben wird der zuvor ex-
perimentell-spielerische
in einen bewußt musika-
lischen Umgang weiter-
geführt.
Strichzeichnung
Leierkonzertprobe Leierkonzertprobe mit
24 Spielern und
Orchester, New York

Jedem das Seine

Freude soll das Musizieren
machen! Und die kann man
auch dann haben, wenn der
Beitrag zum Ganzen noch so
klein ist.
Im Leierspielkreis arbeite ich
deshalb auf verschiedenen
Schwierigkeitsebenen. Bei ei-
nem musikalisch anspruchs-
volleren Stück stelle ich die
fortgeschrittenen Spieler mit
einem schwierigen Part zufrie-
den und die weniger Geübten
mit einer Stimme, die ich um-
schreibe, aufteile und vereinfa-
che, so daß jeder Spieler
gemäß seinen Fähigkeiten
gefordert ist.
Mit einer Gruppe steht man
immer zwischen den beiden
Forderungen: zu schwer oder
zu leicht. Beiden muß man ge-
recht werden.

Wandern auf der Tonleiter

Nach einer längeren Zeit der
Zusammenarbeit können wir
uns dann allmählich auch
größere Aufgaben stellen. Et-
wa ein Jahr lang durch den
Quintenzirkel zu wandern und
sich jeden Monat in die dem
Jahreslauf entsprechende Ton-
art zu vertiefen. Weitere musi-
kalische Themen sind: Inter-
valle, Tonleitern, harmonische
und rythmische Übungen, Im-
provisationen u.v. m. Diese
Themen erarbeiten wir uns
derart; daß sie zur "Allgemei-
nen Menschenkunde" werden
und so zu einem Verständnis
der neuen, zeitgenössischen
Musik führen.
Leierspielgruppe Leierspielgruppe von
Izumoto, Tokyo

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